Ich gestehe, ich habe einen großen faible für abstrakte fotografie. Und ich gestehe auch, dass ich ein großer fan von twin o caulin bin, dessen fotografische arbeiten ich seit einigen jahren verfolge; 2020 hat er auch mit seinem bild "woman in purple" die friends bay hier in der bilderbucht eröffnet. Für die galerie freitag habe ich ihn um „spin II“ gebeten, ein foto, das ich in vielerlei hinsicht großartig finde.
Zu sehen ist in "spin II" eine breite graue fläche, die von einem dunklen band durchschnitten wird. Das band ist am rand von schmalen schwarzen streifen gesäumt und wird etwa in der mitte nochmal von einem schwarzen streifen durchtrennt. Das dunkle band lässt auf der einen seite eine rauten-, auf der anderen eine gitterstruktur erkennen.
Schön: mit dieser leichten, fast angedeuteten struktur; und weil das dunkle band selbst in verschiedenen grautönen changiert. Schön auch, wie das dunkle band mit seinen grautörnen sich vom hellgrauen hintergrund abhebt: das alles eine wunderbare komposition in grau.
Aber da ist, auf der linken seite des bandes diese zarte, leuchtend blaue linie und dieser hauchdünne blaue nebel! Was für ein großartiger farb- und formakkord.
Ist es die form: dieses graue band vor dem monochromen hintergrund?- oder die verhaltene farbigkeit: grautöne mit leuchtend blauem nebel?- die einen magisch in dieses bild hineinziehen? Oder die reduktion der farben oder die der form? Die völlige gegenstandslosigkeit dieses fotos, die freiheit des auges, sich rein an farbe und form erfreuen zu können? Die leuchtkraft abstrakter fotografie?
Wahrscheinlich etwas von allem.
Obwohl. So richtig abstrakt im eigentlichen sinn ist das foto dann doch nicht- abstrakt im sinn einer „fotografie … als wunschmaschine, welche bilder zu generieren in der lage ist, deren ursprünge und referenten weder erkennbar noch nachvollziehbar bleiben.“ (m.kröner)
Wenn man genauer hinsieht und wenn man vielleicht auch spin III und spin IV gesehen hat, kann man ein blau erleuchtetes riesenrad bei nacht erkennen.
Und obwohl twin o caulins fotografische interessen kaum abstrakt sind. auch wenn er zu diesem bild sagt, es sei ein erster versuch der "dekontextualisierung und abstraktion" gewesen. Der größte teil seiner bilder, die er in der fotocommunity zeigt, sind streets oder architekturbilder. Seinem profil dort hatte er früher einmal in anlehnung an die dänische dogma-gruppe einige regeln vorangestellt, in denen er vor allem eine authentische und nur in geringem maß (bild-)bearbeitete fotografie forderte. Also keine verfremdung, keine photoshop-kreationen, keine verpixelung- all diese kreativen techniken, die abstrakte fotografie ausmachen. Twin o caulin also ein romantiker, der in zeiten der digitalen bilderflut, bea-orgien oder ki-generierten bilder auf echt-fotos beharrt?
Vielleicht. Vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig. Was zählt, sind am ende das bild und seine anziehungskraft, seine magie. Natürlich ist "spin II" nicht einfach so oder als schnappschuss entstanden. Ein solches bild bedarf der planung, der ausdauer, der erfahrung und natürlich des glücks. Man muss in dem sujet die möglichkeiten erkennen. Auch die der kamera. Solche bilder entstehen normalerweise auch nicht auf einmaligen nächtlichen streifzügen. Sie sind oft das ergebnis einer langen suche und erfahrung.
Twin ist ein leidenschaftlicher flaneur der nacht. Und die suche nach dem letzten licht, nach dem rest- oder nacht-licht sein ding, seine obsession. Er selbst hat diese suche einmal so formuliert:
Auf seinen streifzügen durch die dämmerungen hält er jedoch ausschau nach diesem licht wie nach einem edelstein, und fotografiert, was ihm an licht im dunkeln erscheint, wohl wissend, dass verborgen bleiben wird, wonach er eigentlich sucht.
wie könnte man besser den motor jeder fotografischen arbeit beschreiben?
w.marin